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Gadamer, Hans Georg

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Lebenslauf

Geboren: 11. Februar 1900 in Marburg
Gestorben: 13. März 2002 in Heidelberg

Hans Georg Gadamer wurde als Sohn eines Universitätsprofessors für Pharmazie geboren. Er wuchs in Breslau (heute Polen) auf und studierte zunächst Philosophie und Kunstgeschichte in Breslau und Marburg. 1922 promovierte er mit einer Arbeit über Platon. Ab 1923 hörte er Vorlesungen von Martin Heidegger. Von der Übermacht dieses Denkers war Gadamer tief erschüttert; um der Philosophie zu entkommen, absolvierte er von 1924 – 1929 ein Lehramtsstudium der germanistischen und romanistischen Philologie. 1929 habilitierte er sich aber dennoch bei Heidegger in Freiburg im Fachbereich Philosophie mit einer erneuten Arbeit zu Platon. 1937 erhielt er eine Professur in Marburg, 1939 wurde er nach Leipzig berufen und arbeitete am NS-Projekt „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ mit. 1947 folgte er einem Ruf an die Universität Heidelberg als Nachfolger von Karl Jaspers. In Heidelberg lehrte er auch noch nach seiner Emeritierung im Jahre 1968. Bis ins hohe Alter übte Gadamer neben einer regen Vortragstätigkeit noch Lehrtätigkeiten in den USA, Deutschland und in Italien aus.


Bedeutung

Hans-Georg Gadamer ist der wichtigste Vertreter der philosophischen Hermeneutik im 20. Jahrhundert. Sein Hauptwerk „Wahrheit und Methode“ ist ein Grundlagenwerk der Hermeneutik und hat ihn in der akademischen Welt über alle Landesgrenzen hinweg bekannt gemacht.


Lehre und Gedanken

Anknüpfend an Gedanken von Wilhelm Dilthey, Edmund Husserl und Martin Heidegger entwirft Hans-Georg Gadamer in seinem Werk „Wahrheit und Methode“ eine Grundlegung der philosophischen Hermeneutik. Die Hermeneutik ist eine philosophische Disziplin, die die Bedingungen des Interpretierens und Verstehens von Welt reflektiert. Dabei will Gadamer die Hermeneutik und ihr Ringen um Wahrheit, Sinn, Erkenntnis und Verstehen nicht allein auf wissenschaftliche Phänomene angewendet wissen. Auch in Kunstwerken oder in der Geschichte offenbare sich Wahrheit, die allein in Form von „Verstehen“ zugänglich ist.

Ausgehend vom Problem des Verstehens von Kunstwerken kommt Gadamer zu dem Ergebnis, dass ästhetische wie auch andere Urteile stets in einem Überlieferungszusammenhang gefällt werden. Damit befürwortet Gadamer das von Heidegger in die Philosophie eingeführte Verfahren des „hermeneutischen Zirkels“ als notwendiges Verfahren zum Verständnis von Welt (Kunst, Philosophie, Geschichte, Wissenschaft etc.). Der sogenannte hermeneutische Zirkel beschreibt ein Deutungsverfahren, dessen Zirkularität darin liegt, dass von dem, was Gegenstand von Erklärung und Verstehen werden soll, immer schon (Vor-)Wissen vorausgesetzt werden muss. Beispielsweise müsse man wissen, wer Goethe war, wann er gelebt hat und was seine grundlegenden Lebensansichten waren, um das Gedicht „Prometheus“ verstehen zu können.
Andererseits erschöpft sich die „Wahrheit“ eines Kunstwerks, der Philosophie oder der Geschichte nicht in einem Verstehen des Entstehungszusammenhangs. Vielmehr wachse, so Gadamer, einem Kunstwerk, einem geschichtlichen Ereignis oder einer philosophischen Theorie im Laufe ihrer Wirkungsgeschichte Bedeutung zu.

„Der zeitliche Abstand […] lässt den wahren Sinn, der in einer Sache liegt, erst voll herauskommen. Die Ausschöpfung des wahren Sinnes aber, der in einem Text oder einer künstlerischen Schöpfung gelegen ist, kommt nicht irgendwo zum Abschluss, sondern ist in Wahrheit ein unendlicher Prozess.“ (Wahrheit und Methode)

Jedes Verstehen, jede Deutung ist also auch in den Zusammenhang eingebettet, in dem der Deutende sich befindet. Nicht nur muss beispielsweise der Entstehungszusammenhang des Prometheus-Gedichts beachtet werden, sondern auch der komplexe Überlieferungszusammenhang, in dem sich der Interpretierende befindet. Damit wird das Verstehen zu einem „Einrücken in ein Überlieferungsgeschehen“. Erst in dieser doppelten Eingebundenheit ist echtes Verstehen möglich. Es gipfelt in der scheinbar paradoxen Aussage, dass man nur versteht, wenn man anders versteht, weil sich das Verstehen innerhalb der eigenen Gegenwart vollziehen müsse.


Hauptwerk von Hans Georg Gadamer

„Wahrheit und Methode“ (1962)
Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Berlin: Akademie Verlag 2007.


Über Hans-Georg Gadamer

Kai Hammermeister: Hans-Georg Gadamer. München: C. H. Beck 2006.

Udo Tietz: Hans-Georg Gadamer zur Einführung. Hamburg: Junius 2005.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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